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die Beschwerdestelle dient Euch dazu, uns auf Vorfälle, die unserer Burghaltung oder den Zugangskriterien entgegen stehen, aufmerksam zu machen. Wir setzen uns mit Euren per E-Mail über die Beschwerdestelle einzureichenden Anfragen auseinander und leiten unsere Ergebnisse dem Stiftungsvorstand zur Entscheidung zu, über die Ihr benachrichtigt werdet.
Aktiv in der Beschwerdestelle sind Roland Elsas (Stiftungsvorsitzender und Burgbetriebsleitung), Holger Pflüger-Grone (ehrenamtlicher Stiftungsvorstand), Karolin Dörrheide (ehrenamtlicher Arbeitskreis Beräunertreffen), Jan Wehenkel (ehrenamtlicher Arbeitskreis Beräunertreffen und zweiter Parlier des Bauhüttenkreises), sowie Susanne Rappe-Weber (Leiterin des Archivs der deutschen Jugendbewegung) und Katharina Feldmann (Leiterin der Jugendbildungsstätte Ludwigstein).
Vor welchem Hintergrund die Beschwerdestelle entstand und wie die Arbeit in der Praxis aussieht, könnt Ihr dem folgenden Text entnehmen:
Mittelsperre und Wiederfreigabe
Aufgrund einer Presseanfrage zur Teilnahme „völkisch-nationalistischer Jugendbünde“ an Veranstaltungen der Jugendburg Ludwigstein stellte das Hessische Sozialministerium am 21. Oktober 2013 bis zur „...einwandfreien Klärung dieser Fragen diesseits anstehende Entscheidungen über Investitionsförderungen sowie etwaige Zahlungen...“ an die Jugendburg zurück. Innerhalb der Klärungsphase beschloss der Stiftungsvorstand der Jugendburg am 2. November 2013, den Begegnungsort Ludwigstein allen Bünden für zunächst zwölf Monate nicht mehr zur Verfügung zu stellen.
Daraufhin initiierten die Jugendverbände Deutsche Waldjugend und Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) im Rahmen der Mitgliederversammlung der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein (VJL) einen Kritiker-/Befürworter-Dialog (Dialog der Bünde), um die Identifikation zwischen Jugendbünden und Burg zu verbessern.
Am 8. November 2013 erklärte der hessische Sozialminister Stefan Grüttner: „Angesichts der mit Ihnen geführten Gespräche und der von Ihnen vorgelegten Gegendarstellungen und Einschätzungen bin ich zu der Auffassung gelangt, daß Sie auch unter Einholung externer Auskünfte über verschiedene Bünde darlegen konnten, dass eine „rechte Milieubildung“ von Ihnen weder befördert noch toleriert wird.“
Reflexionsprozess
In den Jahren 2014 und 2015 haben sich alle Burggremien und Mitglieder des Burgteams in einem Reflexionsprozess mit einem ganzen Bündel unterschiedlicher Themen auseinandergesetzt. Das Ergebnis findet Ihr in unserem Papier „Konflikt um die Offene Burg - Reflexion und Ausblick“. Es ging darum, die o.g. Ereignisse im Herbst 2013, die zu einem Jahr ohne Jugendbünde auf der Burg führten, aufzuarbeiten und ein Konzept für die Zukunft zu entwickeln.
Entstanden ist in den ausführlichen Gesprächen eine gemeinsame Grundlage, die den „Konflikt um die Offene Burg" widerspiegelt und „Unsere Haltung gegen Rechtsextremismus" definiert, die bindend für uns und unsere Gäste ist. Gleichzeitig setzte sich der „Dialog der Bünde" mit den Konflikten um Burg und Bünde auseinander und verabschiedete schließlich „Kriterien für den Zugang zur Jugendburg Ludwigstein“.
Beschwerdestelle
Seit Inkrafttreten des vom Dialog der Bünde erarbeiteten Kriterienkatalogs als Zugangsregelung zur Burg stehen alle auf der Burg zugelassenen Bünde u.a. mit folgender Selbstverpflichtung im Wort: „Eine aktive Unterstützung von extremistischen Vereinigungen oder Parteien durch die Bünde, Gruppen oder deren Mitglieder wird nicht toleriert.“ Steht das in Frage, heißt es dazu weiter: „Zu begründeten und belegten Vorwürfen, im Widerspruch zu diesem Kriterienkatalog zu stehen, nehmen Bünde und Gruppen transparent Stellung. Solche Vorwürfe müssen über die Beschwerdestelle der Burg eingereicht werden.“ Diese Praxis gilt für alle Vorfälle, die unserer Burghaltung oder den Zugangskriterien entgegen stehen.
Praxis
Mit diesem, allen offen stehenden, Verfahren haben wir seit November 2014 wiederholt gute Erfahrungen gemacht und entsprechende Entscheidungen entlang der Zugangsregeln gefällt. In der Konsequenz ist z.B. die Anastasia-Bewegung (deren Umfeld-Gruppe „Stammes Quelle“ wollte 2015 mit einem bundesweit bekannten Rechtsextremisten und Antisemiten auf dem Kreisgebiet feiern, worauf hin wir die Polizei informierten) auf der Burg nicht mehr erwünscht.
In Bezug auf den Freibund verlief eine durch die Jugendburg im Rahmen des Bünde-Dialogs angestoßene Problematisierung von dessen Festhalten am NS-belasteten Bundeslied ergebnislos. Im Oktober 2016 zog sich der Freibund von der Burg zurück und kann – solange dieser Vorbehalt nicht aufgelöst ist, von Burgseite aus nicht mehr am Burgleben teilnehmen.
Mit neuen extremistischen Grauzonen setzen wir uns dabei möglichst präventiv auseinander. So im Sommer 2017 über Vortrag und Diskussion mit dem Historiker und Autor Dr. Volker Weiß, der unter dem Titel „Identitäre - Wie die politische Rechte auf Jugendbewegungsmodus schaltet“ das Phänomen der Identitären Bewegung für die Teilnehmenden unseres jugendbewegten Workshoptreffens „DreiEckenKreis“ und Interessierte aus der Region kritisch aufbereitete.
Im Rahmen des 100jährigen Jubiläums der Jugendburg problematisierte die HNA die „Durchdringung von VJL und Jugendburg durch NS-Aktivisten“ in der Nachkriegszeit. Ihre Bitte um Stellungnahme schloss auch Fragen zur aktuellen Zugangsregelung der Jugendbünde und zur Grenzziehung zum Rechtsextremismus ein. Wesentliche Teile der Stellungnahme bildete die HNA als „Harte Arbeit an der eigenen Geschichte“ in einem weiteren Beitrag ab.
Roland Eckert, Zur Kontroverse um den
Freibund und sein Bundeslied, Juli 2015 [PDF]