Winterbauhütte 2023

Dezentrale Organisation Deluxe

Moin liebe Leude, hier soll es um die Winterbauhütte und die Umstände drumherum aus FJD-Sicht gehen. Dieses Jahr scheint in der Technik des Burgbetriebs alles anders zu sein. Seit letztem Sommer ist Tobias Bacher auf der Burg, der als Ergänzung zum Technischen Leiter in erster Linie Wert darauf legt, selbst mit anzupacken und die Umsetzung des Anstehenden zu begleiten. Leider wurden wir schnell mit der Realität konfrontiert, dass TL Thomas Lock nur bis zum Jahresende Teil des Teams bleiben würde. Dir hier nochmal alles Gute auf deinen Wegen, liebe Dampflock! TSCHUTSCHUUU

Das Technikteam besteht also derzeit aus:

  • Tobi, der auch, wenn er eigentlich gar nicht Chef sein möchte, volle Verantwortung für uns Chaosköppe übernimmt. Dabei lernte er die Themenwahl der Zivis beim Essen mit Bravour zu erdulden.
  • Dem FJD mit Hut: Paul, welcher als Schreiner handwerkliche Kompetenz mitbringt, jedoch nicht viel Geduld für rein theoretisches Blabla hat.
  • Öko: Nepomuk, der am liebsten Öko-Dinge tut, oder musiziert. Ein Gewinn für jede Singerunde!
  • Und mir, FJD Sebi, der bis kurz vor Beginn des Burgjahres nichtmal von ihrer Existenz ahnte.

Als der Bauhüttenkreis sich Ende 2022 zur Sitzung zusammenfand, stellte sich schnell heraus, dass sie alle sehr kompetent in ihren Handwerken sind und dabei selbstverständlich immer alle Recht haben. So wie die Nettigkeiten ausgetauscht wurden, war direkt klar, dass es wohl oder übel ein gut eingespieltes Team sein musste. Nach der im Ehrenamt omnipräsenten post-corona Selbstfindungsphase stellte ich erstaunt fest, dass lediglich der Nachmittag zur Besprechung der WBH übrig blieb. Dabei erfuhr ich beiläufig, dass seit Jahren keine offene Bauhütte mehr stattfinden durfte, und wir uns auf deutlich mehr Helfer freuen können, als ich mir bisher vorstellen konnte. YAWP!

Wie organisiert man in 3 Stunden eine Bauhütte, welche 50-80 Helfer beschäftigen möchte? Nun... eigentlich gar nicht. Bis heute bin ich dankbar an Bauhüttenparlier Dirk für das Erstellen der Baustellensammlung. Denn diese ermöglichte mir als ahnungslosem FJD zumindest irgendeine Art Überblick über das Vorzubereitende, um in Zusammenarbeit mit Tobi unsere Aufgaben früh genug auf dem Schirm zu haben. Ich lernte auf jeden Fall Eines: Gottvertrauen in die dezentrale Organisation des mir vorher unbekannten BHKs.

Wir gaben uns größte Mühe, die vorliegenden Infos und Einkaufslisten abzuarbeiten und vorzubereiten, unsere Bestände zu zählen und zu ergänzen, die Werkzeugausgabe zu organisieren und allen Baustellenleitenden die nötigen Infos zu geben. In der Woche der Bauhütte musste in alle Richtungen kommuniziert werden und es wurde immer eindeutiger, wie sinnvoll die Anlaufstelle des technischen Leiters für solche Kommunikationswege gewesen wäre.

Noch offensichtlicher wurde dies, als kurzfristig noch ein Bigbag-Unterputzlehm für die Vorbereitung des Meißnergiebels beschafft werden konnte, während Paul und Nepo die Werkzeugausgabe vorbereiteten, und Tobi + ich neben den üblichen Aufgaben des Burgbetriebs gut damit beschäftigt waren, möglichst viele Organisationsfetzen zu sammeln und umsetzbar zu machen. Diese Erfahrungen waren für uns alle ein forderndes Novum, aber wir haben es geschafft! Denn spätestens als die ersten Mitglieder des Bauhüttenkreises anreisten, nahmen die für uns Neulinge offenen Fragen, Gestalt in Form von Ansprechpartnern an. Viele Sorgen und Unklarheiten konnten durch jahrelange Erfahrung geklärt werden.

Sobald die Baustellenleitenden vor Ort waren, konnten wir die gefühlte Verantwortung bei vielen Themen guten Gewissens abgeben, was sehr erleichternd war. Wir lernten schätzen, wie gut alle Baustellenleitenden mit der Burg und dem zu Schaffenden vertraut sind und gaben uns größte Mühe, die in sich super funktionierenden Baustellen im Sinne des Burgbetriebs zu koordinieren.

Von dort aus war alles in seine Bahnen gelenkt und rollte unbeirrbar seiner Wege. So war es mir sogar möglich auch mal ein paar Momente durchzuatmen, Runden über die Baustellen zu drehen, tolle Menschen zu treffen und nette Gespräche zu führen, bis wieder Aufgaben für das Technikteam entstanden oder die Werkzeugausgabe entlastet werden musste.

Die Abende wurden lang, die Nächte kurz und es passierte eine jugendbewegte Veranstaltung mit wundervoller Stimmung, produktivem Handwerk und tollen Menschen.

Am Ende ist der Tatendrang eher gestiegen als gestillt und es kamen einige tolle Ideen und Träumereien auf. Ich hoffe sehr, dass wir es weiterhin schaffen diesen Elan für die Erhaltung der Burg zu nutzen und beim Bau des Meißnergiebels und einer Sommerbauhütte weitere tolle Handwerkstreffen zu erleben. Nächstes Mal können wir uns nun vorstellen, was auf uns zu kommt und freuen uns darauf!

Sebi

„Campus Galli“ - Vortrag zur Winterbauhütte 2023

Zum Abschluss der Ludwigsteiner Winterbauhütte hatten wir als Jugendbildungsstätte öffentlich zum Bildvortrag unter dem Titel „Bauen wie im Mittelalter - Die Klosterbaustelle Campus Galli“ eingeladen. 40 Zuhörer stellte die Bauhütte, 10 kamen als Gäste aus der Region, so dass ein gut gefüllter und neugieriger Enno-Narten-Saal unserem Referent gegenüber saß - Dr. Hannes Napierala. Der 1980 in Filderstadt Geborene verbringt als Diplomatensohn seine Kindheit in Arabien, wo sein Interesse an Altertümern und traditionellem Handwerk geweckt wird. Zurück in Deutschland studiert er nach dem Abitur Ur- und Frühgeschichte sowie Geographie und promoviert 2012 in der Naturwissenschaftlichen Archäologie. Über sein Interesse an experimenteller Archäologie arbeitet er sich in historische Handwerkstechniken ein und übernimmt nach mehreren archäologischen Auswertungsprojekten 2014 die Geschäftsführung des Campus Galli.

Ins Zentrum seiner Ausführungen über die Mittelalterbaustelle in der Nähe von Meßkirch, wo seit 2013 Besucher mitverfolgen können, wie ein Kloster von Handwerkern und Ehrenamtlichen mit traditionellen Bautechniken errichtet wird, stellt Dr. Napierala den Bauplan. Das Pergament mit einer Größe von 112 x 77,5 cm aus fünf mit Darmfäden zusammengenähten Blättern zeigt die ideale Gestaltung einer Klosteranlage zur Karolingerzeit und gilt mit der Entstehungszeit zwischen 819 und 826 als die früheste Darstellung eines Klosterbezirks aus dem Mittelalter. An die Wand projiziert, erinnert der „St. Galler Klosterplan“ allerdings eher an eine Schatzkarte, als an eine Bauzeichnung. Gleich einem Welträtsel mussten mannigfaltige Punkte, Striche, Achsen, Symbole, Worte, Überschreibungen, Rißkanten und Anstückungen dechiffriert werden, um aus dieser heute im Besitz der Stiftsbibliothek St. Gallen unter der Bezeichnung Codex 1092 aufbewahrten Einmaligkeit nachbautaugliche Infomationen zu gewinnen.

Und so erwacht nun aus dem 1.200 Jahre alten, weltberühmten Plan, dem übrigens die Benediktinerabtei in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ entspricht, Tag für Tag ein Stück Geschichte zum Leben: ohne Maschinen, ohne modernes Werkzeug. Es werden Holzbalken mit Äxten behauen und aus der Schmiede ertönt der klingende Ton des Amboss. Köhlern, Steinmetzen, Töpfern, Weben - alles muss von Hand gemacht werden, alles ist mühsamer, geht langsamer als heutzutage, ist vielleicht aber auch erfüllender und befriedigender. Was anfänglich von Vielen als „Spinnerei“ abgetan wurde, hat sich inzwischen sehr gut entwickelt: Etwa 45 Mitarbeiter umfasst das Bauprojekt, und die Vernetzung in Wissenschaft und Handwerk wächst stetig. Ähnlich wie die französische Burg Guédelon trägt sich das Projekt, zumindest teilweise, durch Einnahmen als touristischer Anziehungspunkt auf der schwäbischen Alb, nur 25 km entfernt vom Bodensee. Zuletzt wurde mit der sogenannten Scheune das bisher größte, und in den Ausmaßen fast spektakuläre, Gebäude im Ensemble fertig gestellt.

Dem langen Beifall für den eindrucksvollen Vortrag folgen zahlreiche Nachfragen des baukundigen Publikums. Und so fährt Dr. Napierala fort über die Abgelenktheit der Handwerker im Schaumodus, den modernen Arbeitsschutz auf der Baustelle mit Sicherheitsschuhen und Schutzbrillen, lähmende Bauvorschriften, die wissenschaftliche Knobelei, was Größe und Höhe der Gebäude angeht, und die wertvollen Kollegen, die im Projektverlauf über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ins Team fanden. Der Referent macht deutlich, dass angesichts der langen und aktiven Forschungsgeschichte heute verschiedene, auf den Plan bezogene, Deutungen konkurrieren, die bislang nicht überall widerspruchsfrei aufgelöst werden konnten. Weitgehender Konsens jedoch, und so endet der aufschlussreiche Abend, ließ sich über den Sonnen/Schattenwurf auf den Arzneigarten, die genaue Anzahl der Toiletten und die der Erbauung des sakralen Klostergebäudes vorgehende Errichtung der Infrastruktur mit Unterkunfts-, Verpflegungs- und Materialgebäuden erzielen.

Stephan Sommerfeld

 

 

 

Stiftung Jugendburg Ludwigstein